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Etinosa Yvonne: It’s All in My Head

Etinosa Yvonne: It’s All in My Head

Die nigerianische Fotografin setzt sich mit ihrer Arbeit für die Förderung psychischer Gesundheit ein. Ihr vielschichtiges Projekt besteht nicht nur aus Fotos, sondern auch aus Videos, Performances und Skulpturen. Die Metaphern, die in den Porträts enthalten sind, leitet sie aus vorangegangenen Gesprächen mit den Protagonisten ab.

Im Februar 2018 sah Etinosa Yvonne einen Dokumentarfilm mit dem Titel „Salam Neighbor“, in dem ein kleiner syrischer Flüchtlingsjunge vorkam. Er brachte sie sehr zum Nachdenken über den psychischen Zustand von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen in ihrem Heimatland. „Nachdem ich den Beitrag gesehen hatte, war ich neugierig darauf, wie einige der Überlebenden des Boko-Haram-Aufstands in Nigeria mit ihrer neuen und eher unangenehmen Realität zurechtkommen, da sie kaum oder gar keine psychosoziale Unterstützung erhalten. In diesem Moment holte ich mein Notizbuch hervor und schrieb den Namen des Projekts auf“, berichtet sie über den Beginn ihres fortlaufenden Projekts. Ursprünglich hatte sie geplant, ausschließlich mit Überlebenden des Boko-Haram-Aufstands zu arbeiten. Nach den ersten Gesprächen mit Opfern dieses Aufstands wurde ihr jedoch klar, dass einige Regionen in Nigeria im Lauf der Jahre von unterschiedlichen Aufständen und Gruppen heimgesucht wurden. Also erweiterte sie ihren Fokus auf Terrorismus und gewaltsame Konflikte. „2019 arbeitete ich mit dem United Nations Population Fund Sexual and Reproductive Health Agency (UNFPA) zusammen, um die psychologischen Auswirkungen von geschlechtsspezifischer Gewalt auf Mädchen und Frauen in Konfliktregionen zu untersuchen. Durch diese Zusammenarbeit wurde der Umfang meiner Forschung noch erweitert. Bei jedem Thema, das ich im Rahmen des Projekts untersuche, nehme ich mir auch die Zeit, die Ursachen der genannten Gräueltaten, die Akteure und vor allem die Auswirkungen dieser Gräueltaten auf die Überlebenden sowie deren Bewältigungsmechanismen zu studieren, sofern vorhanden“, erläutert die Künstlerin.

„Veränderung vollzieht sich langsam; Leidenschaft, Beharrlichkeit und Strategie sind der Schlüssel zu einem positiven sozialen Wandel.“

Am Beispiel des Porträts der Fischhändlerin Ikot-Ekpo erklärt Yvonne, wie sie sich die Metaphern in der Darstellung erarbeitete: „Ich habe über die Beziehung von Frauen und Müttern zu Nadeln gelesen. Wenn Sie sich das Bild ansehen, werden Sie sieben Nadeln sehen. Fünf der sieben Nadeln haben einen schwarzen Faden, der zusammengerollt ist, eine der Nadeln ist zerbrochen, während die siebte Nadel einen kurzen Faden hat, der nicht mit den anderen verbunden ist. Die fünf Nadeln mit dem verbundenen Faden stehen für ihre anderen Kinder, die sie aufrichtig liebt und respektiert. Die Nadel mit dem kurzen Faden steht für die Tochter, die sie im Jahr 2020 durch einen Autounfall verloren hat. Die zerbrochene Nadel steht für die Tochter, die sie weiterhin verspottet und der Hexerei bezichtigt. Die Art und Weise, wie ich mir die Metaphern für die Menschen ausdenke, deren Geschichten ich erzähle, hängt davon ab, was sie sagen, tun und ausdrücken, wenn ich mit ihnen spreche. Manche Menschen können kurz und bündig sagen, wie sie sich fühlen, wie sie damit umgehen, andere nicht.“ Die individuellen Metaphern regen zum Nachdenken, zum Erforschen und zur Kommunikation über die Porträts an, sodass mehr Offenheit für die psychologische Betreuung von Opfern entsteht. Effekte, die Yvonne sich von ihrer Arbeit erhofft.

Vorgeschlagen wurde Etinosa Yvonnes Serie von Sarah Leen, die zur diesjährigen Gruppe der 80 internationalen LOBA-Nominatoren gehört.

Etinosa Yvonne

Etinosa Yvonne wurde 1989 im Bundesstaat Sokoto im nordwestlichen Teil Nigerias geboren. Die autodidaktische Dokumentarfotografin und bildende Künstlerin wohnt derzeit in Abuja, Nigeria. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Erforschung der menschlichen Existenz und sozialer Ungerechtigkeit. Sie erhielt Stipendien von Women Photograph und einen Award der Royal Photographic Society für ihr Projekt „It’s All in My Head“.

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Porträt: © Steven Lee