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Ismail Ferdous: Sea Beach

Ismail Ferdous: Sea Beach

Menschen am Strand: Paare, Kinder und Großfamilien, Muschelsuchende, aber genauso auch Verkäufer, Fischer und Rettungsschwimmer – sie alle hat der Fotograf in seiner Serie porträtiert. Und für alle ist der Strand von Cox’s Bazar ein einzigartiger Ort, egal ob dort Erholung und Ablenkung gesucht wird oder die Menschen ihrer Arbeit nachgehen. So präsentiert sich die kulturelle Vielfalt von Bangladesch in leuchtenden Farben auf prächtigste Weise.

Der Strand liegt ganz in der Nähe der gleichnamigen Stadt Cox’s Bazar am Golf von Bengalen und ist mit seinen 120 Kilometern der längste natürliche Meeresstrand der Welt. Seinen Namen erhielt der Ort 1799 durch die Gründung eines Marktes in Gedenken an einen Offizier der British East India Company. Jährlich kommen Millionen von Besuchern aus Bangladesch an den feinen Sandstrand, und neben der Zahl der Einheimischen wächst auch die Zahl der Touristen aus dem Ausland stetig.

„Touristen aus allen 64 Distrikten Bangladeschs strömen an den Strand von Cox’s Bazar. Es ist ein unglaubliches Erlebnis, die verschiedenen Dialekte zu hören und Leute aus unterschiedlichen sozialen Schichten zu treffen. Der Strand ist ein wahrer Schmelztiegel, in dem die Kultur, die Menschen und die Sprache Bangladeschs auf einzigartige und lebendige Weise zusammenkommen.“

Für den Fotografen ist der Strand ein Sehnsuchtsort, war er doch bereits seit seiner frühesten Kindheit regelmäßig mit seiner Familie und später mit Freunden dort. Seit sieben Jahren lebt er als Bildjournalist in New York, doch auch dort ließ ihn das Interesse am Strandleben nicht los, und er fotografierte die nahen Strände. Doch die Etikette und das Verhalten der Strandbesucher in den USA unterscheidet sich fundamental vom traditionellen Strandleben in Bangladesch. Sonnenbaden ist am Strand von Cox’s Bazar verpönt, auch Schwimmen ist unüblich, eher geht es um das Flanieren am Strand, um die Gemeinschaft mit der Familie und Freunden; sogar ganze Unternehmen kommen mit ihren Angestellten an den Strand. Zwar haben sich die Freizeitaktivitäten in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert, und es gibt nun auch Möglichkeiten für Jetski, Parasailing, Kajakfahren, Reiten und vor allem Surfen, sodass es jetzt auch Rettungsschwimmer am Strand gibt, doch trotz aller globalisierten Einflüsse und westlichen Lebenskultur bleibt das Strandleben im Wesentlichen von traditionellen Formen bestimmt. Die Strandbesucher tragen ihre besten Gewänder, flanieren in aller Ruhe durch den Sand. So war es ein Leichtes für den Fotografen, seine Motive zu finden. „Ich hatte keinen bestimmten Plan im Kopf, als es darum ging, Menschen anzusprechen. Ich bin spontan vorgegangen und habe mich von meiner Neugier und meiner emotionalen Verbundenheit im Moment leiten lassen“, berichtet der Fotograf. „Ich bin einfach ein paar Stunden am Strand entlanggelaufen, habe meinem Instinkt gehorcht und zugelassen, dass sich die Szenen ganz natürlich entfalten. Ehrlich gesagt war es überhaupt keine Herausforderung, auf die Leute zuzugehen und sie um ein Foto zu bitten. In den meisten Fällen waren sie kooperativ und bereit mitzuwirken.“ Aber es sind keine einfachen Schnappschüsse, sondern die in den letzten vier Jahren entstandene Serie ist von einem genau inszenierten Konzept bestimmt: Um ein strahlendes Licht über die Aufnahmen zu legen, fotografierte Ferdous nur in den Wintermonaten, immer in der Mittagszeit und nutzte zusätzliche künstliche Lichtquellen. So entstand eine Serie, die seinen Sehnsuchtsort abbildet, ohne jedoch auch auf aktuelle Themen zu verzichten: Konsum und Luxus werden von ihm ironisch ins Bild gerückt, ebenso wie die sichtbaren Spuren des Klimawandels durch Bodenerosion. Dass nur wenige Kilometer entfernt noch ein weiterer gesellschaftspolitischer Brennpunkt liegt, ist dem Fotografen dabei bewusst. Hatte er als Bildjournalist in den Jahren zuvor immer wieder im riesigen Flüchtlingslager der Rohingya fotografiert, die vor dem Völkermord in Myanmar ganz in der Nähe von Cox’s Bazar Zuflucht gefunden haben, sollte seine neue Serie „Sea Beach“ eine deutlich künstlerische Auseinandersetzung mit dem Ort werden.

Vorgeschlagen wurde Ferdous’ Serie von Dimitri Beck und James Wellford, die zur diesjährigen Gruppe der 60 internationalen LOBA-Nominatoren gehörten. 

Ismail Ferdous

geboren 1989 und aufgewachsen in Dhaka, Bangladesch. Während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften an der Business School in Dhaka entschloss er sich, Fotograf zu werden. Er ist Mitglied der Agence VU’ in Paris und engagiert sich in seinen Fotografie- und Filmprojekten für soziale, kulturelle und humanitäre Themen. Ferdous arbeitet für die wichtigsten internationalen Zeitungen und Magazine, seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet. Seit 2016 lebt er in New York.

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Porträt: © Danielle Amy