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Davide Monteleone: Critical Minerals – Geography of Energy

Davide Monteleone: Critical Minerals – Geography of Energy

Kobalt, Kupfer, Lithium, Nickel: gefragte Stoffe bei der aktuellen Umstellung auf erneuerbare Energiequellen, die dem gewünschten Wandel der globalen Energiewirtschaft geschuldet ist. Jedes Kapitel des Projekts befasst sich mit der Gewinnung eines bestimmten Minerals, deckt die oft übersehenen Lieferketten auf und hinterfragt die komplexen Auswirkungen auf die betroffenen Regionen in der Demokratischen Republik Kongo, Chile und Indonesien.

Barfüßige Arbeiter mit einfachstem Arbeitsgerät und in kaum gesicherten Stollen, verseuchtes Wasser, verwüstete und vergifte Landstriche: In jeder Region, die der Fotograf für seine Serie in den Blick genommen hat, zeigen sich die enormen Probleme beim Rohstoffabbau. Um das Versprechen von zukünftigen „sauberen“ Technologien umzusetzen, werden spezielle Materialien benötigt, die allerdings zum Teil unter fragwürdigen, menschenverachtenden und umweltgefährdenden Bedingungen gewonnen werden. E-Autos, die für eine Besserung der Klimabilanz sorgen sollen, Smartphones, die aus der Alltagskommunikation nicht mehr wegzudenken sind, Batterien, die zukünftig auch überschüssige Energie aus Wind- und Solartechnik speichern sollen: Für alles wird unter anderem Kobalt benötigt, das daher zu einer gefragten Ressource geworden ist. Der größte Anteil dieses Elements wird in der Demokratischen Republik Kongo gewonnen, doch vom finanziellen Ertrag, der mit diesem gefragten Stoff erzielt wird, landet nur wenig bei den Menschen in den Bergbauregionen. Denn raffiniert wird das Element von Unternehmen in anderen Ländern. So ist China heute der weltweit größte Kobaltimporteur. Daher ist es Monteleone wichtig, auch die Lieferketten zu benennen, die für die neue und angeblich bessere Energie genutzt werden. 

„Am wichtigsten ist, dass die Geschichte einen Zusammenhang zwischen jedem Element und der Geschichte eines Individuums oder einer Gemeinschaft herstellt, die damit in Verbindung steht, und in einer poetischen, aber journalistisch strengen Erzählung die Beziehung zwischen Mensch und Verbrauch, Natur und Wirtschaft, individuellem Handeln und Geopolitik entfaltet.“

In der LOBA-Serie werden die Abbaugebiete verschiedener Mineralien vorgestellt. Bisher dokumentierte Monteleone die Kobaltminen in der Demokratischen Republik Kongo, den Kupfer- und Lithiumabbau in Chile sowie die Gewinnung von Nickel in Indonesien. Ein weiteres Kapitel zu seltenen Erden soll das Projekt weiter ergänzen.

Die chilenische Atacama-Wüste gilt als einer der trockensten Orte der Erde; dort wird das Lithium in großen Verdunstungsteichen verarbeitet, lässt aber das Wasser für die Menschen immer knapper werden. Andere Aufnahmen Monteleones aus Chile zeigen eine aufgegebene Geisterstadt, die langsam von den Abraumhalden des Kupfertagebaus verschüttet wird. Chuquicamate wurde als Minencamp gegründet, doch lag rasch zu nahe an den Minenbetrieben: „Der Staub aus der Mine und die Gase aus der nahe gelegenen Schmelzanlage veranlassten das Bergbauunternehmen, die gesamte Stadt umzusiedeln“, sagt Monteleone. „Abgesehen von den Gesundheits- und Sicherheitsbedenken fehlte dem Unternehmen auch ein geeigneter Platz, um die Abfälle der Mine aufzuschütten. Um ein Kilogramm Kupfer zu gewinnen, müssen 100 Kilogramm Gestein aus dem Boden geholt werden.“ Das Abfallmaterial begräbt nun die ehemalige Siedlung. Im Südosten des indonesischen Sulawesi hat der großflächige Nickelabbau „zur Abholzung riesiger Wälder geführt, wodurch große Gebiete ihrer natürlichen Vegetation beraubt sind. Die Umweltzerstörung beeinträchtigt die lokalen Ökosysteme, führt zu einem Verlust der Artenvielfalt, verstärkt die Bodenerosion und vergrößert das Risiko von Überschwemmungen“, weiß der Fotograf zu berichten.

„Durch die verschiedenen Formate des Projekts, das Fotografie, Video, Daten und Kartierung umfasst, soll diese Arbeit das Publikum informieren und fesseln und eine neue Perspektive auf die möglichen Wege zu einer nachhaltigeren und diversifizierten Lieferkette bieten.“

Für seine Serie nutzt der Fotograf verschiedene Medien und Perspektiven. Die farbstarken Landschaftsaufnahmen, die zum Teil aus der Vogelperspektive gemacht wurden, werden im Gesamtprojekt durch Videos ergänzt, um eine stärkere Betonung individueller und persönlicher Schicksale zu ermöglichen. Die Serie verdeutlicht, dass das Streben nach umweltfreundlicherem Energiegewinn die Gefahr birgt, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, anstatt eine gerechte und nachhaltige Zukunft einzuläuten. Längst haben daher auch Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Menschenrechts- und Umweltaktivismus begonnen, die hohen Kosten der heutigen Energiewende in Frage zu stellen.

Vorgeschlagen wurde Davide Monteleones Serie von Antonia Benedetta Donato, die zur diesjährigen Gruppe der 80 internationalen LOBA-Nominatoren gehört.

Davide Monteleone

Davide Monteleone wurde 1974 in Potenza, Region Basilicata, Italien, geboren und lebt heute in der Schweiz. Er hat einen Master-Abschluss in Kunst und Politik der Goldsmith University London und ist als Kurator und Dozent in vielen öffentlichen und privaten Institutionen tätig. Ab 2001 arbeitete und lebte er für ein Jahrzehnt in Moskau. Seine Arbeit als bildender Künstler und Forscher umfasst die Bereiche Bildgestaltung, visueller Journalismus und Schreiben. Seit mehreren Jahren beschäftigt er sich mit Klimathemen im Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaft und Geopolitik. Monteleone hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, schreibt regelmäßig für Zeitschriften wie „National Geographic“, „Time“ und „The New Yorker“. Seine Arbeiten wurden vielfach ausgestellt. Unter anderem wurde er mit dem National Geographic Storyteller’s Fund, dem National Geographic Society Fellowship, dem Asia Society Fellowship, dem Carmignac Photojournalism Award, dem EPEA Award, dem European Publishers Award und mehreren World Press Photo Awards ausgezeichnet. Bereits 2020 war er mit seiner Serie „Sinomocene“ für die LOBA-Shortlist nominiert.


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Porträt: © Lorenzo Poli